1962 erreicht der Kalte Krieg mit der Kubakrise einen ersten Höhepunkt. Die Weltöffentlichkeit wird sich erstmals bewusst, dass ein globaler Atomkrieg ausbrechen könnte. Im gleichen Jahr treten die Rolling Stones das erste Mal öffentlich auf und die Beatles bringen ihre erste Single auf den Markt. «Was hat das Ganze mit Heimatschutz zu tun», werden Sie sich fragen?
Durch die Arbeit im Vorstand des GLH wurde mir bewusst, wie bedeutend dasselbe Jahr 1962 auch für die Stellung des Heimatschutzes in der Schweiz war. An der Volksabstimmung im Mai stimmte eine deutliche Mehrheit der Aufnahme eines Heimatschutzartikels in der Bundesverfassung zu. Wie kam es dazu?
Auslöser für den Verfassungstext ist das Wirtschaftswunder, welches nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs einsetzte. Die Wirtschaft florierte, die Bevölkerung nahm zwischen 1945 und 1965 von vier auf sechs Millionen Einwohner zu. Mit dem neu erworbenen Wohlstand konnte sich eine stetig grösser werdende Mittelschicht ein Eigenheim im Grünen und ein Auto in der Garage leisten. Die Bauwirtschaft in der Schweiz erlebte einen ersten Bauboom. Mit dem schnellen, ungezügelten und unkontrollierten Wachstum entstand neues Ungemach. Es drohte eine Zersiedlung der Landschaft. Unser baukulturelles Erbe, die schützenswerten Ortsbilder und geschützten Objekte gerieten zunehmend unter Druck.
Die Volksabstimmung 1962 war eine Antwort der Bevölkerung auf die rasante, unkontrollierte Entwicklung und setzte ein klares Zeichen, dass die hohe Lebensqualität unserer Dörfer und Städte erhalten werden soll. Der Volkswille bedeutete eine markante Zäsur im Umgang mit unserem baukulturellen Erbe und war auf Bundes- und Kantonsebene der Auslöser, dass Natur- und Heimatschutzgesetze erlassen wurden.
Im Kanton Glarus dauerte es weitere neun Jahre bis die Landsgemeinde 1971 der Einführung eines Natur- und Heimatschutzgesetzes zustimmte. Seit 1971 ist also Heimatschutz im Kanton Glarus eine gesetzlich geregelte Behördenaufgabe. Sie verlangt von den Baubehörden die Schaffung von kompakten Siedlungen, um eine Zersiedlung der Landschaft zu verhindern. Zudem soll die Siedlungsentwicklung nach innen gelenkt werden, was heute mit dem Wort «Verdichtung» in aller Leute Mund ist.
Nebst dieser Gesetzgebung gibt auch das Raumentwicklungs- und Baugesetz eine gute Gesamtwirkung beim Einfügen von Bauten und Anlagen in ihre bauliche und landschaftliche Umgebung vor. Besonders hohe Anforderungen für die Gestaltung und Einordnung gelten für Bauten in der Umgebung von geschützten, schützenswerten und erhaltenswerten Bauten.
Seit zehn Jahren wächst die Bevölkerung in der Schweiz stark an. Gleichzeitig ermöglichen aktuell tiefe Hypothekarzinsen vielen Menschen den Erwerb eines Eigenheims. Beides ist für einen ähnlichen Bauboom wie in den 1960er-Jahren verantwortlich und stellt eine erneute, grosse Herausforderung für unsere Baubehörden dar.
Der Heimatschutz wird immer wieder als «Verhinderer» und «Bremser» tituliert. Hierbei wird aber ausgeblendet, dass wir lediglich dieselben Anliegen vertreten, die unsere Behörden auf Kantons- und Gemeindeebene von Gesetzes wegen verfolgen müssen.
Gemessen an der Anzahl Baugesuche pro Jahr (800) ist die Zahl der Einsprachen durch den Glarner Heimatschutz (zehn bis 15) verschwindend gering. Aber genau diese Einzelfälle emotionalisieren und verhärten die Fronten, was wiederum die Erarbeitung von guten und gemeinsam getragenen Lösungen erschwert. Wir haben in den vergangenen vier Jahren viel Zeit investiert, im Baubewilligungsverfahren die baukulturellen Werte sichtbar zu machen und die zuständigen Behörden und Verwaltungen dafür zu sensibilisieren. Keine Einsprachen mehr verfassen müssen, das ist unser langfristiges Ziel. Es lässt sich aber nur erreichen, wenn die zuständigen Behörden und Verwaltungen ihre Aufgabe gewissenhaft erledigen und wir sicher sein dürfen, dass keine unbegründeten und willkürlichen Entscheide gefällt werden. Nur mit dieser Gewissheit entsteht gegenseitiges Vertrauen sowie Berechenbarkeit. Das wiederum schafft für alle Beteiligten, insbesondere für Bauwillige, Planungssicherheit und vermeidet unnötige Kosten und Verzögerungen.
In unserem Kanton verfügen wir 60 Jahre nach der Einführung des Natur- und Heimatschutzgesetzes zum Glück immer noch über grösstenteils intakte Ortbilder und Landschaften – ein Standortvorteil und grosser Nutzen für die ganze Bevölkerung. Wir Glarnerinnen und Glarner in unserer nüchternen Art sind uns dieses riesigen Geschenkes einfach viel zu wenig bewusst.
Heimatschutz soll vor allem positive Werte vermitteln und in der Bevölkerung verankern. Wie sangen die Beatles 1962 so schön: «Love me do, you know I love you».
Hansruedi Zopfi ist Vorstandsmitglied des Glarner Heimaschutzes.